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AUSSTELLUNG
30.06. - 24.07.2009
Di - Fr 14 -18 Uhr Galerie B, Haus der Künste, Lindenstr.4
Ines Doleschal
Werkstatt und Ausstellung im Rahmen des Projekts "Regenerativverfahren"
Finissage
Donnerstag, 16.07. um 19.30 Uhr
IM DETAIL: Ines Doleschal
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Geboren bei Stuttgart (Jahrgang 1972), studierte Ines Doleschal Freie Kunst und Kunsterziehung, Kunstgeschichte und Anglistik in Berlin, Münster, London und Tübingen. Seit 2001 arbeitet sie künstlerisch freischaffend in Berlin und als freie Mitarbeiterin an der Alten Nationalgalerie und der Akademie der Staatlichen Museen zu Berlin. Ihre Bilder auf Papier, Karton und Leinwand beschäftigen sich mit dem Thema Architektur, Raum und Mensch. In Frankfurt / Oder wird sie anlaesslich ihres Stipendiums im staetdischen Umfeld zeichnen, um das spannungsvolle Verhältnis des Menschen in seiner urbanen Umgebung auszuloten.
Website der Künstlerin
INES DOLESCHAL
Laut eigenen Aufzeichnungen war Ines Doleschal im Collegium Polonicum, Zitat: „dankbar über kubische Formen, verwinkelte Fluchten und frei schwebende Treppen“ Verwinkelte Fluchten und frei schwebende Treppen, das war ein ambitioniertes Arbeits- und Bildprogramm für die nur 10 bis 11 Tage Werkstattbetrieb bei laufendem Publikum. Das Programm, sehen wir heute, wurde diszipliniert realisiert.
Mich hats beeindruckt.
Ein Frankfurter Flaschencontainer, der Tiefgarageneingang, der wie eine Mausefalle aussieht, eine polnische Sperrholzkonstruktion auf dem Heldenplatz in Slubice, Ansichten vom Audimaxbau der Viadrina und die Gräfin Dönhof Mensa von links, rechts, innen und außen, das alles kunstvoll auf 8 Bildtafeln, dazu 13 oder 14 Miniaturen mit figürlicher Besetzung, das alles auf der Basis eines Skizzenbuches, das einzusehen ist, das alles ist hier in der Galerie B versammelt nebst früheren Arbeiten aus Paris und anderswo, die die beeindruckende Kontinuität im Werk von Ines Doleschal belegen, das alles nötigt Respekt vor der künstlerischen Intention und der handwerklichen Akkuratesse ab.
Kunst kann ja dies oder das sein oder für den einen dies und für den anderen das oder für den dritten wieder dies und das, dieses ewige dies und das des Sinns und der Bedeutungen ist für den einen ein störende Problem und für den anderen genau der Reiz.
Ines Doleschal präsentiert uns hier heute ausgesprochen reiz-volle Bilder aus Frankfurt, zu Frankfurt, über Frankfurt, aber ist Frankfurt überhaupt für diese Bilder und deren Sinn und Bedeutung wichtig? Frankfurt mehr als nur ein Stichwort?
Präsentiert Ines Doleschal oder konfrontiert? Es geht ihr, das ist schnell erkennbar, immer um Räume, aber offensichtlich sind es nicht Allerweltsräume, sie können durchaus in Frankfurt verortet werden (Container, Tiefgarage), aber trotzdem sind die gezeigten Räume sowohl viele Orte irgendwo als auch nirgendwo.
Orte müssen belebt, Räume müssen „bespielt“ werden oder könnten das, und können unter anderem auch Spielräume sein, müssen aber nicht sein müssen oder aber Menschen, mehr oder weniger zufällig hineingeraten oder hineingesetzt oder gar platziert machen den Ort oder werden von ihm gemacht, spielen eine Rolle im Raum oder auch nicht, sind oder bilden eine Staffage für Vorderräume, Hinterräume, Zwischenräume, Nebenräume – das Thema Raum jedenfalls drängt sich bei Ines Doleschal auf, steht sozusagen nicht in Frage oder aber gerade deshalb ? Ein Bildmotiv macht ja nicht das Thema allein.
Denn es bleibt bei ihr offen oder zumindest unklar, ob es sich um Innen- oder Außenräume handelt bzw. ob es sich um Körper im Raum, Raumkörper oder ein sie Umschließendes, Umfassendes handelt, also die Möglichkeiten der Bewegung im Raum, der Aktion.
Auf Frankfurt bezogen und der engeren oder kleineren oder kleinlichen Frankfurter Regionalität entzogen und in den Geruch der großen weiten planetarischen Welt versetzt, hat der Betrachter Vorteile, der die ganze gesammelte Kenntnis der heimatlichen Örtlichkeit ( aha, das ist dort und dort) samt ihrer Geschichtlichkeit und der ihr anhängenden Anekdotenbedeutsamkeit vollkommen drauf hat (im Sinne auch des dort gelebten Lebens), aber Ines Doleschal verschafft ihm auch den Vorteil der sehr weiten und dadurch zwar unbestimmten oder nicht mehr bestimmbaren aber freien oder befreienden Entfernung. Meine ich. Ein romantischer Gedanke.
Auffällig vor allem bei den Tafeln die Nähe zu einer Malweise wie Feininger etwa mit ihrem abstrakten kristallinen Anschein, aber auch die Nähe zu ganz wirklicher, sinnlich konkreter, also anfassbarer heutiges Architektur, an der man sich stoßen und an deren scharfen Kanten man sich schneiden kann. Da wird die Welt sparsam in angedeutete prismatische Flächen aufgesplittert, bei fester, nachgerader statischer Bildordnung bei kunstvoll geordnetem fragilem Gleichgewicht der Diagonalen im insgesamt einheitlichem Raum. Ein leicht magischer Ewigkeitseindruck entsteht, eine kleine Unendlichkeitssehnsucht kann hineingesehen werden, da ist sogar Poesie. Ines Doleschals reich differenzierte Palette schafft transparente Flächenpläne, vielfach gebrochen, gespiegelt, mehrfach anders zugeordnet, eine Ahnung von Futurismus kommt auf. Das hat viel Arbeit gemacht und man kann sie geschmäcklerisch genießen. Auffällig zuletzt auch die offenbare Faszination der Künstlerin durch die betont rationale, zentralperspektivische Komponente. Meine Generation, die da mehr von z.B. Max Beckmann & Co geprägt wurde hat da so ihre Probleme bei dieser Art idealen Betrachtung unseres unperspektivischen Welttheaters. Als Ines Doleschal in der Galerie B ankam, sahen wir zuerst ihre Pariser Miniaturen von 2000, damit will ich enden. Bei diesen Miniaturen scheint der Inspizient oder der Feuerwehrmann oder der eingeschlafene Kleindarsteller oder wir als Bildbetrachter auf der Bühne zu sitzen und durchs Bühnenportal in den Zuschauerraum zu sehen. Das Eigentliche ist hinten und noch dahinter und immer so weiter, bis es im Kleistschen Sinne wieder vorn ist, das macht mir den schönen romantischen Zuschnitt trotz der scheinbar kühle architektoiden Erscheinung der Bilder aus.
Was ich bewundere.
16.7.2009 Jürgen Barber
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