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AUSSTELLUNG
01.07. - 01.08.2008
Di - Fr 14 -18 Uhr Galerie B, Haus der Künste, Lindenstr.4
Ausstellung und Werkstatt
von Barbara Kajci-Lazary
im Rahmen des Projekts "Regenerativverfahren"
Finissage am 17.07.2008 um 19.30
Uhr
POETISCHE VERWANDLUNGEN
Schon ein kurzer Gang durch unsere drei Ausstellungsräume,
Sie werden es sicher bestätigen, regt zu einigen übergreifenden Überlegungen
an. Zum Beispiel folgende: Die heutige Finissage von Barbara Krajci
kann geeigneter Anlass sein, uns wieder mal zu gegenwärtigen,
was wir hier eigentlich machen. Mit unserem Unternehmen hier, unserem
nun schon im fünften Jahr befindlichen Projekt, dass da einmal „Regenerativverfahren
Galerie B“ heißt und zum anderen den Untertitel WORK
IN PROGRESS trägt.
Den Begriff „Regenerativverfahren“ hatten uns dazumal
Ilse Winkler und Erika Stürmer-Alex vorgeschlagen, nachdem
der Kunstverein nach einer belastenden und schließlich
ausgestandenen Krise seiner Ausstellungstätigkeit einen
Neuanfang suchte. Es galt, die Ausstellungsräume, die Organisation
und das künstlerische Profil zu regenerieren, es galt aber
auch, und darauf kommt es mir an, den Künstlern selbst die
Möglichkeit zu bieten, ihren ganz persönlichen ästhetischen
Blick auf die Welt, nebenbei auch auf Frankfurt und eventuell
auch auf sich selbst und die eigenen Produktionsgewohnheiten
in Frage zu stellen und zu erneuern, mindestens aber aufzufrischen.
Nicht zuletzt sollte darüber hinaus der Kreis der Frankfurter
Kunstfreunde durch das WORK IN PROGRESS Prinzip die Möglichkeit
erhalten, den vielleicht mit eingefahrenen oder mit Vorurteilen
belasteten Blick auf heutige, mitunter sehr ungewöhnliche
Kunstkonzeptionen zu revidieren, indem die Verfertigung von Kunst
unmittelbar vor Ort und Schritt für Schritt verfolgt bzw.
nachvollzogen werden kann.
Soweit so gut. Obwohl in der Regel die
beteiligten Künstler
sich bei Beginn ihres Aufenthalts mit einer kleinen Kollektion
früherer Arbeiten vorstellen sollen, beinhaltet das Projekt
deshalb keine eigentliche Eröffnung, sprich Vernissage, das
WORK IN PROGRESS Prinzip läuft auf den Abschluss, die Finissage
hinaus. Läuft sie wirklich?
Wozu dieser Vorspann? Weil in dieser
letzten Bemerkung, wie man so schön sagt, der Hase im Pfeffer liegt, und Igelmann oder
Igelmann immer grad nicht da sind, wo sie eigentlich hinwollen,
und für den Künstler, so er das Prinzip ganz ernst nimmt,
das Regenerieren, Ausprobieren, Experimentieren, das ständige
Vorantreiben des Werkes und auch das Verwerfen, das nicht Fertigwerden
immer über irgendeinen organisatorischen Finissagetermin hinausgeht.
Das WORK IN PROGRESS Prinzip verträgt sich eben schlecht mit
dem Terminkalender. Da gibt es Erlebnisse und Bildvorstellungen,
es werden Arbeiten begonnen, aber es gibt wieder neue Erlebnisse
und neue Bildvorstellungen. Begonnenes wird zwar abgeschlossen,
aber bohrt trotzdem weiter, wann, bitte schön, ist Kunst überhaupt
abgeschlossen oder gar, um einen Begriff der Alten Schule zu benutzen,
gültig.
Kurz gesagt, ich habe den Eindruck, dass
wir es heute bei der Finissage von Barbara Krajci genau mit dieser
Problematik zu tun haben, weil sie ja auch nach dieser Finissage
noch bis zum Monatsende weiterarbeiten wird, die Finissage also
keine Finissage ist, sondern eine Teilabschnittsfinissage und
weil deshalb, stärker als
gewohnt der Werkstattcharakter einerseits und die Präsentation
sehr gültiger, mitgebrachter Werke andrerseits das Bild der
Ausstellung bestimmt und vielleicht den einen oder anderen verstört.
Die Werke hier, in diesen beiden Räumen, zeigen sehr eindrucksvoll,
bewundernswert artistisch bin ich versucht zu sagen, dass Barbara
Krajcis Domäne die leise wirkenden, raffiniert gefertigte
Siebdrucke auf durchsichtigem Seidenpapier mit vielfältigen
Abdeckungen, Überdeckungen, Überlagerungen und Durchsichten
sind. Da ausstellungstechnisch schwer zu präsentieren und
deshalb leicht übersehbar verweise ich dabei ganz speziell
auf ihre Arbeiten im ausgelegten Siebdruckkalender und auf das
von ihr gestaltete und erstehbare Gedichtbüchlein zu Versen
von Frank Martens. Sinnigerweise, wie man schon auf dem Umschlag
erfährt, gedruckt in der Druckwerkstatt „Alte Schule“.
Der Name, scheint mir, ist auch ein Programm.
In diesem Büchlein
finden sich z.B. folgende Verse von Frank Martens, die, scheint
mir, auch mit Barbara Krajci Bildern und ihr selbst sehr viel zu
tun haben. Vielleicht auch zum Verständnis ihrer Frankfurter
Bemühungen.
BODENSTÄNDIG
hier schneiden bussard
schreie das fernweh
in handliche Stücke
Auch ein Programm. Es ist das kürzeste
Gedicht des Bandes ASSLAH AMIR, Geliebter Freund. Nochmals:
BODENSTÄNDIG
hier schneiden bussard
schreie das fernweh
in handliche Stücke
Dies, wie gesagt, gedruckt in der Druckwerkstatt „Alte Schule“ auf
Rügen.
Alte Schule ist, um mit dem Begriff etwas
herumzuspielen, auch eine heutzutage, scheint mir, alte Kunstmethodik
aus dem fast vergessenen 20 Jahrhundert, die von einem poetischen
Erlebnis ausgeht, es notiert, es einrahmt, es strukturiert, es
ordnet, es gleichermaßen
verdichtet wie auch öffnet, es umkehrt, umdenkt, bis eine
vielleicht viele berührende Allgemeinheit ahnbar und im besten
Sinne handhabbar, handlich ist, ohne dass vom ersten Reiz etwas
verloren ist. Alte Schule ist auch das grafische bzw. malerische
Handwerk, also der Umgang mit Verbindlichkeit und Kontrast, mit
dem Aufeinanderbezogensein von Linien oder Farben, von Verdichtung
und Leerstellen, von Senkrechten, Schrägen und Waagerechten,
von Tonigkeit und Akzenten, von Störungen und Beruhigungen.
Alte Schule ist natürlich auch die Akuratesse der bewältigten
Drucktechnik, das Gefühl für das Verhältnis der
Figurationen zu Ton- und Farbflächen und beides zu den Strukturierungen
und alles zusammen zu Schrift und Schriftblock im Bild oder auf
der Buchseite. Ein Höchstmaß an Kontrolle, Kalkül
und Durchführung, die sich der Künstler abverlangt.
Ich gebe eine Erklärung. Barbara Krajci hatte damit geliebäugelt
und auch ein wenig geplant, das Erlebnis Frankfurt, das Thema Stadt-Land-Fluss
mit Siebdruck und vielleicht sogar mit Radierungen bearbeiten zu
können, aber, wie es bei uns in der Galerie jetzt auch heißt,
aus technischen Gründen hat sich das nicht ermöglichen
lassen. Was schade ist, aber auch die Problematik unseres Projekts
betrifft: Was passiert, wenn Werkstattmöglichkeiten ausfallen
und der Künstler auf Tuschkasten und Schere allein verwiesen
ist.
Barbara Krajci nennt ihre nun so entstandenen
puristisch,handlichen, kleingrafischen, etwas minimalistischen
Gestaltungen Übungen
des zeichnerischen Sehens und erinnert damit bewusst oder unbewusst,
wir müssen sie nach danach befragen, an alte Zeichenschulen,
z.B. von Gerhard Gollwitzer etwa, für begabte Leute im sogenannten
Grundlagenstudium.
Der bildnerische Zugriff bei ihrem Arbeitsaufenthalt ist ortsbestimmt,
direkt.
Mit Zeichnung und Aquarell nähert sie sich ihren Frankfurter
Motiven in Postkarten-Größe. Die vor Ort entstandenen
Bildchen sind für Krajci fertig, abgeschlossen. Sie werden
allerdings in der Werkstatt sozusagen neu erfunden. In die Komposition
und in die Strukturen kommt Ordnung, das Motiv wird verdichtet.
Mit Tempera, Ölkreide, Kreide oder als Collage entstehen
größere farbige Kompositionen. Krajci versucht, auf
der Grundlage ihres Seherlebnisses den Zwischenbereich von gegenständlicher
zu abstrakter Darstellung auszuloten. Eine Grauzone farbiger Bestimmtheiten
entsteht, aus der rote, blaue, grüne Töne hintersinnig
hervorleuchten.
Erkennbares wird auf das Wesentliche reduziert,
ohne zu Verarmung zu führen. Im Gegenteil - gesucht werden subtile feinsinnige
Bildfindungen voller Zartheit und Kraft. Dem schnellen Betrachter,
der ihre Bildchen noch schneller als Skizzen einordnet bemerkt
und kritisch bemäkelt, erstaunt beim Gespräch. Sie sagt
ganz fest, ihre Bilder sollen leicht, aber nicht flüchtig
erscheinen. Flüchtigkeit ist für Krajci ein Makel. Zweckfrei,
aber nicht flüchtig. Auf keinen Fall flüchtig. Ihre Bilder
lassen zwar am Ende noch den Bezug zu den gewählten Frankfurter
Motiven erkennen, sie werden aber in ihrer grafischen Struktur
im Verlaufe des künstlerischen Spiels aufgelöst, ohne
verspielt zu werden. Man sieht oder glaubt zu sehen. Der Ortskundige
erkennt Lokales, wenn er es weiß: Straßenflucht, Baumreihe,
Brücke, Boje, Speicher, Anleger, Packhaus, Oderspeicher, Fensterblicke.
Die Realistik bestimmter Räume erscheint im Spiel von Lichtreflexen
und Dunkelpartien vermindert, ihre regionale Identifikation wird
schließlich unwichtig. Irgendwie Szenisches klingt mitunter
an, aber scheint zu verschwinden wie die Menschen hinter ihren
Seelenlandschaften. Die Bilder werden zum stenografischen Abdruck
von etwas Inneren und verhüllen sich darin sogleich. Gefühlsinhalte
oder gar Bewusstseinsinhalte werden im Kürzel oder in der
Struktur des Kompositionsgerüstes geradezu neutralisiert und
verbergen geschickt die Urheberin. Sie will sich nicht selbsthervorheben,
sondern Kunst machen. Mittels collagierter Flächen mit Hang
zur Konstruktion wird schließlich die Abbildung aufgegeben
und es entstehen Denk- oder Sinnbilder.
Aus dem zeichnerischen Sehen und Notieren werden ganz eigenständige
farbige Bilder mit einem Lokalkolorit, das über Frankfurt
hinausführt. Ich gehe in die Natur, um abstrakt malen zu können,
sagt sie etwas provozierend. Aber wer will und genau sieht, dem
bleibt in ihren Bildern Frankfurt spannungsvoll erkennbar.
Barbara Krajci gehört zu jenen Malern, die eine Bildidee
immer wieder durcharbeiten und ihren Stil nicht nach wohlfeilen
Trends wechseln, vielfach variiert sie sie frühere Arbeiten
oder Arbeitszustände, wiederholt sie, bezieht sie untereinander.
Wechselt Perspektiven und Oben und Unten, verunsichert über
vorn und hinten, ebnet den Bildplan, wie sie ihn gleichermaßen
vertieft.
Ein letzter kunsthistorischer Exkurs: Die
flimmernden Farbflächen
eines, sagen wir, impressionistischen Landschaftsbildes sind schließlich
auch nicht Wiedergaben sommerlicher Blütenpracht, sondern
eine bildnerische Neuschöpfung im eigenständigen Medium
der Malerei. Nicht die Dinge selber geben, sondern farbige oder
grafische Äquivalente, dieser Gedanke ist alte Schule seit
Cezanne. Und auch scheint mir, bei Barbara Krajci – Ich wünsche
Genuss beim vertieften Betrachten.
Die Ausstellung „Stadt, Land, Fluss“ ist
noch bis Ende des Monats zu sehen. Eine Finissage der bisher
entstandenen Bilder findet an diesem Donnerstag statt.
01.07. – 01.08.2008
Geöffnet Di – Fr 14 – 18 Uhr
Galerie B des Frankfurter Kunstvereins
Ausstellung und Werkstatt von Barbara Krajci-Lazary im Rahmen
des Projekts „Regenerativverfahren“
Finissage der Werkstatt am 17.07.2008 um 19.30 Uhr
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