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AUSSTELLUNG
27.05. - 27.06.2008
Di - Fr 14 -18 Uhr Galerie B, Haus der Künste, Lindenstr.4
Ausstellung und Werkstatt
von Sandra Riche im Rahmen des Projekts "Regenerativverfahren"
Finissage der Werkstatt am 12.06.2008 um 19.30
Uhr
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Die Künstlerin aus dem französischen
Auberville lebt gegenwärtig in Berlin. Sie studierte in Paris,
Grenoble und Düsseldorf und stellte u.a. in Berlin, Basel,
München, Erfurt und Schwedt aus.
Ihre künstlerische Arbeit umfasst Installationen, Performances, Videos,
Objekte und Interventionen. Die Doppeldeutigkeit von Materialien interessiert
sie besonders. Sie verwendet z.B. gern Latex, Silikon oder Nylon. Damit korrespondiert
ihre Lust, die Doppeldeutigkeit von Titeln, Themen, Begriffen und Gegenständlichkeiten
auszuloten und zu umspielen. Ihre Dehnbarkeit, ihre manchmal anzügliche
Zweideutigkeit, ihre Umkehrbarkeit. Heißt es weibliche Vorstellungskraft
oder Vorstellungskraft des Weiblichen? Gibt es Berührung, ohne zu berühren?
Menschliche Zärtlichkeit und Sinnlichkeit suchen ihren Ausdruck über
die Grenzen des Alltäglichen hinaus.
In Frankfurt möchte sie im Rahmen der Projektreihe "Regenerativverfahren" vor
allem an Installationen arbeiten, die auf Text-Objekt-Kombinationen zurückgehen.
Sandra Riche nennt ihr Vorhaben "Annäherungsversuch: eine Deutsch-Polnische
Romanze". Ein Deutsch-Polnisches Sprachbuch, das sie zufälligerweise
auf einem Flohmarkt in Berlin entdeckte, wird eine wichtige Rolle spielen. Die
Lektionen, die kurzen Gedichten ähneln, sind ungewöhnlich und irgendwie
philosophisch. Sandra Riche hat vor, Texte des Sprachbuches mit Objekten zu verbinden.
Sie sollen keine Illustrationen dazu sein, sondern Metaphern tragikomischer Situationen
zwischen Scheitern und Hoffen. Die Objekte sind Latexhüllen von Alltagsdingen
und enstehen soll eine Parabel einer Liebesbeziehung zwischen zwei Völkern.
Die Entstehung der Installationen kann bis zum 12.Juni vor Ort verfolgt werden.
Danach sind sie noch bis zum 27.Juni zu besichtigen.
Sprachbuchobjekte
In Frankfurt(Oder) beendete
die französische Künstlerin
Sandra Riche ihren Arbeitsaufenthalt in der Galerie B und stellte
ihr Projekt "Versuch einer Annäherung: eine deutsch-polnische
Romanze" mit einer Performance vor. Schauspieler vom "Theater
in der Senke" und Musikschüler umspielten eindrucksvoll
jene Texte, die Ausgangspunkt für Sandra Riches bildnerische
Arbeit wurden.
Sandra Riche ist eine Spezialistin für Latexobjekte. 16 dieser
Abformungen einfachster Dinge wurden 16 Texttafeln aus einem polnischen
Sprachbuch zum Deutschlernen zugeordnet, das sie auf einem Berliner
Flohmarkt aufgespürt hatte. Deutsche Wörter und Wendungen
aus den verschiedensten Alltagsbereichen innerhalb sehr kurzer
Dialoge werden darin zum Auswendiglernen polnisch glossiert. Diese
Dialoge haben es Sandra Riche angetan. Sie liest sie wie moderne
Lyrik und stellt sie ihren Latexobjekten gegenüber oder ordnet
sie ihnen zu. Ohne dass eine Beziehung im Sinne von Betitelung
entsteht, verweisen Texte und Objekte auf einen Ort im Ungefähren,
wo ein Sinn bzw. Hintersinn ahnbar ist. Die Deutung scheint offen
zu sein, ist aber nicht beliebig. Es gibt Dinge zwischen Himmel
und Erde, von der sich zwar unsere Schulweisheit nichts träumen
lässt, aber ein polnisches Sprachbuch machts möglic h: "Er
ist ein Pole. Sie ist eine Deutsche. Alle Polen sind sentimental.
Alle Deutschen sind fleißig. Alle solche Verallgemeinerungen
sind falsch". Oder: "Ich glaube, ich verstehe dich. Ich
fürchte, du verstehst mich nicht. Warum versuchst du nicht
mich zu verstehen." Dazu fertigt im ersten Fall Sandra Riche
als Latexhüllen eine Zange mit verschieden langen Armen, ein
in die Fläche gedrücktes Weinglas und eine Schere mit
einer Art Operationsschlauch am Griff. Zum zweiten Text finden
sich ein überlangerer Löffel, ein noch längerer,
offensichtlich hohler Hammer und eine Sprühflasche. Wie gesagt,
alles aus Latex. Nicht die Dinge selbst, sondern ihre Hüllen
werden als Kontext zu den Sprachtexten präsentiert. So wie
sich Schlangen oder Libellen häuten. Der Gelb-Ocker-Ton der
Latexobjekte wirkt im ersten Moment ausgedörrt, vergilbt,
knochig hart, beim Anfassen jedoch fragil, sinnlich, sogar erotisch.
"Nach meinem Tode wollte ich. falsch? Verzeihung. Vor meinem
Tode wollte ich. Auch falsch? Bevor ich sterbe, will ich.Richtig?
Na endlich. Vor meinem Tode will ich die deutsche Grammatik lernen.
Wozu? Darüber habe ich noch nicht nachgedacht." Dazu
macht Sandra Riche das Angebot einer Tasse mit lassoähnlich
gedehntem Henkel und die Verzogenheit eines Kleiderbügels.
Sandra Riche öffnet die Tür zu Geschichten, aber sie
erzählt sie nicht. Was hat ein verzogener schlaffer Kleiderbügel
mit deutscher Grammatik bzw. einem polnischen Lebenswunsch zu tun?
Man sieht und denkt und kommt vielleicht auf ein Szenarium, ein
eigenes. Sandra Riche erwartet das Spiel, das Mitspiel. Man könnte
das eine Trigonometrie mehrfacher Potenz nennen. Man sieht seltsam
verfremdete Dinge, liest einfache Texte aus einem anderen Zusammenhang
und sieht sich unversehens als Autor einer deutsch-polnischen Beziehungkiste,
gepackt durch ein französisches Temperament.
Sandra Riche fand
bei einer Oderwanderung das polnische Schild mit dem Badeverbot.
Ein Freund wies darauf hin, dass der Buchstabe Z im Wort Zakaz
nur halbwegs gedreht werden müsse, um daraus
Nakaz, d.h. Gebot zu machen.
"Badegebot" nennt sie eine Rauminstallation aus einem
Spaten, Kinderbettteilen, Sonnenbrille und 7sprossiger Leiter als
Latexhüllen, schwer zu durchschauen und nicht zu besteigen.
Eine Metapher einer tragikkomischen Situation zwischen Scheitern
und Hoffen.
Das seit vier Jahren laufende Projekt "Regenerativverfahren" erwartet
von den beteiligten Künstlern nicht unbedingt Arbeiten, die
durch die Grenzsituation von Frankfurt(Oder) und durch das deutsch-polnischen
Verhältnis angeregt werden. Aber überraschend viele stellten
sich selbst diese Aufgabe. Eine der interessantesten Angebote bietet
gegenwärtig die Galerie B. Die Ausstellung ist von Dienstag
bis Freitag von 14 bis 18 Uhr noch bis zum 27.Juni zu sehen.
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