Frankfurter Kunstverein e.V.
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Edith Wittich "Frauenzimmer" - Objekte, Collagen

VIELFALTIGKEIT IN FRAUENZIMMERN

Edith Wittich hat sich die drei kleinen Räume der Frankfurter Galerie B etwas bezüglich oder gar anzüglich als "Frauenzimmer" eingerichtet. Die thematische Bindung ist zwar reizvoll, muss aber natürlich nicht obligatorisch für die Betrachter sein. Denn die gezeigten Bilder, Objekte und Installation sprechen in schöner Selbstverständlichkeit auch ohne weiteren Verweis für sich. Trotzdem lohnt die Begriffsklärung. In "Minna von Barnhelm" lässt Lessing seinen Wachtmeister Werner von der schönen Franziska sagen, sie wäre kein unebenes Frauenzimmer. Früher war der Begriff sowohl Bezeichnung für den Raum als auch, ironisch oder einfach nur scherzhaft gebraucht, für die sich dort aufhaltenden weiblichen Einzelwesen. Edith Wittich spielt mit beiden Bedeutungen - der Frau als Kunstfigur undder fraulich bestimmten Aura ihrer Räume. Weil, wie es in einem alten Damen-Conversationslexikon von 1834 heißt, Frauen "alles in einem schönen Lichte betrachten, weil ihre Phantasie da, wo bei den äußern Erscheinungen der Schmuck fehlt, diesen ergänzt, weil sie alles mit Wohlwollen, mit dem Gefühle ihres eigenen innern Frühlings ihres Blumenlebens anschauen...".
Edith Wittich hat drei wunderschöne Räume geschaffen, deren dekorative Wandstruktur durch eine Art Visitenkarten ihrer selbst gebildet wird. Das sind Collagen aus aufgeklappten und umgestaltete Briefumschäge, die von ihr weniger gesammelt wurden als sich eben angefunden haben und die zu locker ins Rechteckbild hineingesetzten geometrischen Figurationen benutzt werden Und das sind Collagen aus verschiedensten Restpapieren des Gebrauchs oder der Verpachung, mehr oder weniger transparent, mehr oder weniger bezeichnet, beschrieben oder bedruckt, die zu kunstvollen, oft raffiniert räumlich wirkenden Kompositionen zusammengesetzt wurden.
Das Ganze wird durch einzelne Objekte, ein Teebeutelvorhang, ein Teebeutelgesteck eine Installation aus an Frauentorsi erinnernde Papierkaschierungen akzentuiert. Zum Blickpunkt wird ein frei hängendes, sehr weibliches "Hemd der Vielfaltigkeit", ein fragiles, leicht im Lufthauch schwebendes zartes Raumobjekt aus Seidenpapieren, feinen und groben Drähten und Schnüren. Auf einem Fensterbrett liegen neun Augenklappen aufgereiht - eine Aufforderung, Zwischentöne im Stimmengewirr auszumachen?
Vielfalt und Zwischentöne bei zufällig Gefundenenem und Geformtem sind Edith Wittichs gestalterisches Thema seit langem. Kunstfreunde der Region erinnern sich vielleicht an die Ausstellung "BrandenBurgenland" im Sommer 2006 auf der Burg Beeskow. Dort war Edith Wittich zuletzt mit eindrucksvollen Raumgestaltungen aus den verschiedensten, aber durchgängig blauen Plastefundstücken aufgefallen.
Das Projekt "Regenerativverfahren" des Frankfurter Kunstvereins will nun schon im vierten Jahr unsere alltagsmüden Augen für neue Einblicke und Einsichten regenerieren. Genau in diesem Sinne bemüht sich Edith Wittich, aus dem Meer des Überflusses Dinge des Alltags in neue und schöne Zusammenhänge und Zusammenklänge zu bringen. Es geht ihr darum, etwas zu bewahren und zu nutzen, was eigentlich keinen Wert hat. Von Packpapieren bis zu Drahtverwicklungen, vom Teebeutel zum Notizzettel.
Die Idee "Frauenzimmer" entstand aufgrund einer Verpackung, die in ihrer merkwürdig plastischen Gestalt an einen Torso eines Frauenkörpers erinnerte und zu unzähligen papierenen Abformungen reizte. Edith Wittich will nun die Galerie B beileibe nicht demonstrativ ablesbar "fraulich" ausstatten oder gar als Zimmer einer Frau möbilieren, sondern scheinbar spielerisch und zufällig, und immer mit leichter Ironie versehen, mal eben einen gewissen fraulichen Blick walten lassen, was der auch immer beinhaltet. Man kann diesen Blick schwer benennen, aber es gibt ihn ja wohl offenkundig. Die ausgestellten Papiercollagen (alle verkäuflich!) zeigen ihre große Sensibilität für Zwischentöne und Abstufungen, für Falten, Streifen und Risse in der scheinbar so glatten Oberfläche - ist das "Frauenzimmern" vielleicht nicht schlechthin eigen?